KOMMENTAR ZUM RATSBEGEHREN: KEIN VERTRAUEN IN DIE BÜRGERSCHAFT?

Sebastian Sefzig (FDP), der als nicht-stimmberechtigtes Gemeinderatsmitglied an der Sitzung des Ferienausschusses des Gemeinderats Krailling am 22.8.23 teilgenommen hat, kommentiert die Entscheidung der Mehrheit, gegen die Stimmen der FDP als einziger Fraktion die dringliche Anpassung der Fragestellung des Ratsbegehrens zu vertagen:

 

„VERTAGUNG TROTZ DRINGLICHKEIT?

Mit dieser Vertagung konnte das Thema nicht mehr am 22.8.23 behandelt werden und damit ist auch die fristgerechte Vorbereitung und Durchführung eines Bürgerentscheids im Oktober 2023 nicht mehr möglich. Selbst ein CSU-Vertreter stellte in der Sitzung die Dringlichkeit fest, obwohl der Vertagungsantrag aus der CSU-Fraktion heraus gestellt wurde.

 

WARUM NICHT ERST 2024?

Wo ist der Erkenntnisgewinn, wenn der Termin verschoben wird (z.B. auf die Europawahl 2024)? Welches Mehr an Information ohne zusätzliche Gutachten gibt es in der Zwischenzeit? Brauchen die Wahlberechtigten mehr Bedenkzeit? Kommt eine unerwartete Steuermehreinnahme, von der die Gemeinde noch nichts weiß? – Nein!

Die Zeit hätten wir jetzt nutzen können: 1. im Falle einer Ablehnung für die Suche nach Alternativen (möglicherweise auch mit Kosten verbunden), und 2. im Falle einer Zustimmung für die dann erforderlichen Verfahrensschritte (auch mit Kosten verbunden).

 

WARUM KIM UND WALD GEMEINSAM?

Entgegen der Vermutung einiger Bürgerinnen und Bürger, das „Ökokonto Wald“ sei als „Zuckerl“ gedacht gewesen, um die Bevölkerung zu locken, auch dem Gewerbegebiet zuzustimmen, war dies – jedenfalls für die FDP – keinesfalls vorgesehen, geplant oder beabsichtigt.

Im Gegenteil: die Verbindung aus „KIM-Erweiterung = Bebauung“ und „Ökokonto = Sicherung des Walds“ sollte das Signal sein, daß wir die Verwendung des gesamten Grundstücks mit der Bürgerschaft festlegen wollen und damit auch den Gemeinderat selbst an das Votum binden.

Nun ist es so – und dies hat sich als Schwäche der Fragestellung ergeben –, daß ein Großteil des zur naturschutzfachlichen Aufwertung vorgesehenen Walds in erheblich besserem Zustand ist, als dies im Vorfeld vermittelt wurde. Die aus Naturschutzkreisen geforderte und Anfang August 2023 erfolgte Vorbegehung mit Fachleuten und Vertreter*innen der Naturschutzverbände hatte diese an sich positiven Erkenntnisse gebracht, auch wenn es nicht mit einer vollständigen Aufnahme und Untersuchung (Fauna, Flora, Biotope und dgl.) verglichen werden kann. Eine Verwendung als Ökokonto zum Ausgleich von Baumaßnahmen ist damit unsicher.

Für die FDP-Fraktion sage ich aber weiter zu, den verbleibenden Bereich als Wald eben NICHT später anderweitig nutzen zu wollen, auch wenn er nicht mehr in einem Bürgerentscheid genannt werden sollte.

 

BRAUCHT MAN DIE ERWEITERUNG?

Für den ehemaligen Sportplatz werden derzeit Verkaufsverhandlungen geführt. Weiterer Bedarf nach Gewerbeflächen ist da, der Gemeinde liegen aktuell Anfragen für insgesamt 8 Hektar Fläche vor, vor allem von Firmen aus Krailling und dem Landkreis bzw. dem Würmtal. Für die Gemeinde ist die Einnahme aus dem Grund-stücksverkauf (nach Abzug der Erschließungs-kosten) und die spätere Einnahme aus der Gewerbesteuer am wichtigsten, da nur diese Beträge helfen, die nötigen Investitionen in die Grundschule, den Bauhof, Kindertages-stätten oder Straßenerhalt und neue Radwege mit zu finanzieren. Auch müssen die Gemeinden durch Vorgaben aus dem Land und dem Bund immer mehr Aufgaben übernehmen, ohne dafür Finanzmittel zu erhalten. Während Bund und Land neue Schulden aufnehmen dürfen (im Rahmen der Schuldenbremse), muss die Gemeinde davor erst Steuern und Abgaben erhöhen oder Grundbesitz wie Wohnungen verkaufen, bevor ein Kredit von der Rechts-aufsicht genehmigt wird. Für die FDP bietet daher die Gewerbegebietserweiterung eine wichtige und wirksame Verbesserung der Gemeindefinanzen. Selbstverständlich ist auch der Erhalt der Waldfläche ohne Gewerbe-gebietserweiterung möglich, allerdings ohne die möglichen hohen Einmalbeträge aus einem Grundstücksverkauf. Uns ist bewusst, daß die gesamte Gesellschaft derzeit im Zwiespalt ist zwischen Wirtschaftsentwicklung und Klima-/Naturschutz, daher wollten wir die Bevölkerung VOR weiteren Planungen fragen.

Obwohl wir die Gewerbegebietserweiterung für Krailling als notwendig erachten, wäre die Entscheidung – ob Zustimmung oder Ablehnung – für unsere FDP-Fraktion bindend gewesen in unserer politischen Arbeit.

 

INFORMATIONSBEDARF?

Das Argument, für den Bürgerentscheid lägen zu wenige Informationen vor, sticht natürlich nur dann, wenn die Gemeinde VORHER z.B. Boden-gutachten, Kaufverhandlungen, Planungs-verträge und Baukosten beauftragt und ermittelt hat und heute schon weiß, wieviel Steuer eine Firma in 5, 10 oder 20 Jahren zahlt: das ist nicht seriös.

Bei der Bürgerversammlung im Juli in Krailling hat eine Mehrheit der anwesenden Bürger*innen den in der Versammlung gestellten Antrag auf Besichtigungsmöglichkeit des ehemaligen Antennenfeld abgelehnt – die Ablehnung geschah durch die Bürgerschaft, NICHT durch den Bürgermeister! Nichtsdestotrotz hatte die Verwaltung für die nächste Gemeinderatsitzung einen Vorschlag erarbeitet, der mit den Anträgen zweier Fraktionen auf Öffnung des Geländes in der nächsten Gemeinderatsitzung im Juli behandelt wurde. Eine unkontrollierte Öffnung des Geländes aber ist – zumindest derzeit – wegen Verpachtung nicht möglich.

Wir haben im Würmtal das Glück, mehrere unabhängige Presseeinrichtungen zu haben, die online wie im Printmedium aus der Gemeinde-politik berichten, selbst recherchieren und unterschiedlichen Meinungen Raum geben. Wir haben eine Vielzahl an Vereinen, auch aus dem Naturschutzbereich wie aus dem Gewerbe-bereich, die von sich aus informieren und auch Stellung beziehen.

Im Gemeinderat sind fünf unterschiedliche Parteien vertreten, die durch ihre Mitglieder in der Lage sind, für ihr Anliegen zu werben und im Ort als Gesprächspartner zur Verfügung stehen.

Wir als FDP trauen unserer Bevölkerung zu, eine Prognoseentscheidung zu treffen und der Gemeinde den Auftrag zu geben, ein Projekt zu entwickeln, ohne heute schon alles genau zu kennen oder zu wissen. Wer kann das von sich behaupten?

Sind die Wahlberechtigten wirklich nicht in der Lage, sich ein eigenes Bild zu machen und dieses ihrer Entscheidung zugrunde zu legen?

 

MÜNDIGE BEVÖLKERUNG?

Warum alle Fraktionen außer der FDP gegen die Durchführung eines Bürgerentscheids im Oktober sind, ist für mich schwierig zu beantworten.

Die Idee war, die Wahlberechtigen nach ihrer Entscheidung pro / contra Gewerbegebiet zu fragen, BEVOR überhaupt aufwändige und teure Gutachten und Planungen beauftragt werden. Aus unserer Sicht ist es nicht hilfreich, erst alles zu planen und dann die Bevölkerung entscheiden zu lassen.

Aus Sicht der Gegner scheinen Gutachten, Kosten und Gewinnübersichten sowie ein durchgeplantes Projekt die Voraussetzung zu sein für einen Bürgerentscheid, wir als Befürwortende vertrauen auf die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger und darauf, daß sie sehr wohl entscheiden können, ob eine Gewerbe-gebietserweiterung in der Summe „besser“ ist als der Erhalt des Waldes oder eben nicht. Dieser Zwiespalt beschäftigt momentan die gesamte Gesellschaft, und sowohl die derzeitige wirtschaftliche Situation als auch die Herausforderungen durch die Klimakrise sind den meisten bekannt.

 

DELEGITIMATION DER REPRÄSENTATIVEN DEMOKRATIE?

Der Vorwurf, eine so wichtige Entscheidung zum Ratsbegehren nur in einem „Notaus-schuss“ (Zitat eines Gemeinderatsmitglieds) zu behandeln und nicht im „Gesamt“-Gemeinde-rat, geht völlig ins Leere.

Der Begriff „Notausschuss“ trifft es nicht, es handelt sich um einen in Gemeindeordnung und Geschäftsordnung vorgesehenes und recht- und gesetzmäßig eingerichtetes vollgültiges und allzuständiges Gremium, das dem Gemeinderat während der Ferienzeit gleichgestellt ist und ihn ersetzt (im Gegensatz zu den Ausschüssen). Dies sollte – bei allen inhaltlichen Differenzen – von niemanden in Zweifel gezogen werden.

Der Termin für eine mögliche Sitzung des Ferienausschusses ist seit Januar 2023 bekannt, sodaß jede Fraktion sich die Teilnahme oder die Vertretung rechtzeitig einplanen kann.

Und: wenn der Ferienausschuß wirklich nicht angemessen sein sollte, warum verweigert man dann der Bevölkerung die Mitwirkung an der Politik durch einen Bürgerentscheid? Wenn ein Gemeinderatsausschuss nicht recht ist, eine Bürgerbeteiligung auch nicht, was dann?

Wäre bei einem anderen Thema die gleiche Diskussion geführt worden? Ich glaube nicht!

 

WIE GEHT ES WEITER BEIM HAUSHALT?

Neben Einnahmen aus Grundstücksverkäufen und Gewerbesteuereinnahmen (deren Höhe sich jährlich ändert!) stehen der Gemeinde für ihren Haushalt nur wenige Möglichkeiten offen:

  1. EINNAHMEN ERHÖHEN
  2. AUSGABEN SENKEN

 

EINNAHMEN ERHÖHEN

Höhere Einnahmen können bedeuten: Erhöhung der Grundsteuern (Hebesatz), Erhöhung der Gewerbesteuer (Hebesatz), Erhöhung von Gebühren bei Friedhof und Bibliothek, Vermietung von Räumen an Musik-schule, Volkshochschule und Sportverein nur noch gegen Bezahlung (derzeit unentgeltlich) – diese Aufzählung ist nicht abschließend!

 Nun kann ein Gewerbegebiet die Einnahmen nicht alleine erwirtschaften, aber hohe Einmalbeträge aus Grundstücksverkäufen können einzelnen Großprojekte erst möglich machen, die sonst über Jahrzehnte angespart werden müssten.

Wir wollen die Belastung der Bevölkerung nicht unerträglich machen!

 

AUSGABEN SENKEN

Ausgabenkürzungen können bedeuten:

Gebäudesanierungen nach Kassenlage und nur für das Nötigste ohne Flexibilität für die Zukunft, Reduzierung oder Entfall der Zuschüsse und Defizitübernahmen bei Kindertagesstätten, Reduzierung oder Entfall von Ortsbuslinien, Entfall von Straßensanierungen und Straßenumbauten, Entfall von Radweg-Neubauten, Nachbesetzungstop in der Verwaltung oder gar Stellenreduzierung, Rückzug aus überörtlichen Vereinigungen mit Mitgliedbeiträgen (Schulzweckverbände, Regionalmanagement, Regionalwerk, Gemeindetag und dgl.) – diese Aufzählung ist nicht abschließend!

 Nun kann das Sparen von lauter Einzelposten in der Summe durchaus einen größeren Betrag ergeben, aber leider sind viele Ausgaben der Gemeinde gar nicht reduzierbar wie die Kreisumlage oder die Personalkosten der aktuell Beschäftigten.

Wir wollen kein Kaputtsparen, sondern Investitionen in die Zukunft!

 

WIE GEHT ES WEITER MIT DEM WALD?

Sollte des Gewerbegebiet nicht erweitert werden und auch keine anderen Flächen neben dem Antennenfeld gefunden werden, dann bleibt der Wald wie er ist. Dies ist positiv für den Klimaschutz und den Bestandswald, kann aber zu Einschnitten in vielen anderen Bereichen der Gemeindepolitik führen.

Die FDP-Fraktion ist nicht „waldfeindlich“, sondern sucht nach Lösungen für eine Gemeindeentwicklung, die so vielen Belangen wie möglich gerecht wird.

 

WIE GEHT ES WEITER MIT DEM GEWERBE?

Sollte den Firmen in Krailling keine Erweiterungsperspektive geboten werden können, dann bleibt vielleicht alles so wie es ist, oder aber Firmen wandern ab, ohne daß Firmen nachziehen, und das Einnahme-Potential aus Grundstücksverkäufen und langfristiger Verbreiterung der Gewerbesteuerbasis kann nicht realisiert werden. Dies kann man aus strukturpolitischen Gründen (ungleiche Lebensverhältnisse in Bayern, „Überhitzung“ des Großraums München) für sinnvoll halten, es löst aber nicht unsere Aufgaben vor Ort und kann zu Einschnitten in vielen anderen Bereichen der Gemeindepolitik führen.

Die FDP-Fraktion ist nicht „gewerbehörig“, sondern sieht in einem Miteinander aus Wohnen und Arbeiten die Basis für den Wohlstand in Krailling, der immer zum Nutzen der Bevölkerung eingesetzt werden soll.“

WIE IST NUN DER PLAN?

Es wird wohl einen Bürgerentscheid geben mit der Europawahl 2024, und wir als FDP-Fraktion werden auch diesen Termin unterstützen, weil wir in der Sache von der Bürgerbeteiligung überzeugt sind und das Vorgehen für sinnvoll erachten. Da die Gemeinde neutral bleiben soll, kann sie auch in der nun zusätzlichen Zeit nicht mehr „Werbung“ machen oder schon Planungen beauftragen, sodaß wir gespannt sind auf die Vorschläge der Ablehnenden, welche Vorschläge sie haben.

Wir als FDP-Fraktion werden weiter konstruktiv und kompromissbereit mitarbeiten FÜR die Sache, selbst wenn der Vorschlag von einer anderen Partei kommt.“

(SKS) 24.08.2023

 


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